Amanis Biografie
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Wer ist Amani wirklich?
Bitte bedenke, dass dich einzelne Abschnitte dieser Seiten triggern können!!!
Wenn es dir nicht gut geht oder du dich innerlich nicht stabil fühlst, raten wir dir davon ab, diese Seiten allein durchzulesen !!!
Wir schufen die folgende Autobiografie, um so eine Brücke für einen leichteren, persönlicheren und mehr gefühlsbetonten Zugang zu dieser schwierigen Thematik zu schaffen. Die Biografie von Amani ist also frei erfunden und Angelina versucht, durch ihre Fotografien ein rundes, warmes Bild von Amani entstehen zu lassen. Wir sind überzeugt, manches in Amanis Biografie wird einem vielleicht vertraut vorkommen, auch wenn man selbst nicht traumatisiert wurde. Und vielleicht kann diese fiktive Lebensgeschichte wie eine Brücke zwischen dem eigenen Erleben und den geschilderten Texten, Gedichten und Bildern sein. Und genau darum geht es uns. Es reicht nicht, sich differenziert und ordnend verstehend mit diesem Thema auseinanderzusetzten. Missbrauch ist nicht ein Unfall, dessen Ursachen und Folgen zu erörtern sind. Missbrauch führt zu einer zutiefst persönlichen Verletzung, die immer ein ganz individuelles Gesicht hat. Und trotz dieser, daraus entstehenden ganz eigenen Schmerzthemen scheint es übergeordnete Gefühlsbewegungen oder seelenhafte Ordnungen zu geben, die geradezu etwas Allgemeingültiges haben - ähnlich vielleicht den Stufen des Sterbens, die immer ein ganz individueller Prozess sind, und doch, wie die Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross herausarbeiten konnte, immer wieder ähnliche, ja gleiche allgemeinmenschliche Stufen durchlaufen.
Missbrauch ist also immer ein jeweils individuelles, brutales Geschehen in einer Biografie, doch die Folgen weisen zum Teil wiederkehrende Muster auf. Aber unser Blick bleibt auf die ganze Seele gerichtet, die ein zutiefst zerrüttendes Ereignis aushalten, betrachten und verarbeiten muss und irgendwann vielleicht auch überwinden kann, um wieder „ganz“ zu werden. Dafür müssen sich Betroffen dem erlittenen Schmerz achtungsvoll und achtsam nähern und stellen. Und dies geschieht nun einmal am besten mit dem warmen Gefühl der Liebe, mit einem "Sehen-wollenden" Herzen; und das Alles kann, so glauben wir, am besten durch die Mittel der Kunst unterstützt und begleitet werden.

Amanis Autobiografie
Ich bin im Jahr 1978 geboren. Ich habe im Alter von 15 Jahren einen Psychiatrieaufenthalt von einem Jahr Länge überlebt. Jahre später durchlief ich einige Therapien bei verschiedenen Therpeutinnen und kam im Jahr 2017 zur Kunsttherapie. In ihr habe ich in anderer Art und Weise angefangen, meinen sexuellen Missbrauch aufzuarbeiten. Seither versuche ich, die dunklen, verstörenden Situationen in meinem Leben in einer für mich neuen Form anzuschauen, ganz anders als dies in meinen früheren Therapien geschehen war. Seitdem, begleitet und angeleitet durch meinen Therapeuten, durchdringe ich den Schmerz, die Scham, das Unsagbare mit meinen Gedanken und Gefühlen. Ich versuche - einer Muschel gleich, die das Sandkorn unter Schmerzen in eine Perle verwandelt - meine Erlebnisse zu verdauen und zu verarbeiten; und ich bin mir sicher, dass auch ich am Ende dieser Arbeit eine, oder vielleicht sogar mehrere Perlen, mein Eigen nennen darf und kann.
Was war geschehen?

Ich war das vierte Kind, das Nesthäkchen und ein ausgesprochenes „Papakind“, das davon träumte, einmal eine große Tänzerin zu werden. Auch hatte ich einen Riesenspass, andere Menschen nachzuahmen und schlug vielleicht auch das eine oder andere Mal mit meinem Humor etwas über die Stränge. Rundum, ich war ein kleiner aufgeweckter „Wildfang“. Dann, mit 8 ½ Jahren, wurde ich brutal vergewaltigt. Der Täter, ein etwa 40-jähriger Mann, hatte eine ¾ Stunde lang sein „Vergnügen“ an mir. Für mich geriet dadurch mein Leben aus den Fugen. In dieser dreiviertel Stunde hatte ich Todesangst und ich wurde einmal fast ohnmächtig, weil ich dem Ersticken nahe war. Für einen kurzen Moment sah ich mein ganzes bisheriges Leben wie in einem bewegten Traum an mir vorüberfliegen. Die körperliche Gewalt, die Schmerzen, die Scham, das ohnmächtig Ausgeliefert-Sein und das damit verbundene Gefühl des "Abgrundtiefen-verlassen-worden-Seins" möchte ich hier nicht weiter ausmalen. Als ich dachte, dass er nun endlich fertig ist und ich das Ganze anscheinend überlebt hatte, fing er an, nachdem er mir, um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, ins Gesicht geschlagen hatte, mir ekelhafte Anweisungen zu geben, denen ich mich nicht mehr zu widersetzen traute, um sich noch ein zweites Mal von mir „beglücken“ zu lassen. Nachdem ich auch das überstanden hatte, holte er zum vielleicht vernichtendsten Schlag aus. Es waren nur ein paar Sätze, die sich in meine zitternd verängstigte und sich kaum noch innerlich-halten-könnende Seele, wie einbrannten und mein Leben von da an gewaltig magisch überschatteten und beherrschten. Er sagte: „Du hast das ganze ja selbst gewollt!“, „Du und dein Körper, ihr seid schuld, dass das passiert ist!“, „Du bist zu dreckig und ekelhaft, du taugst zu nichts, du taugst nicht einmal dazu, weggeworfen zu werden“, „Dir wird sowieso niemand glauben“. Dann ließ er mich alleine in dem Raum am Boden sitzen, halbnackt, zitternd, blutverschmiert, innerlich erstarrt und nicht mehr fähig zu weinen, unfähig irgendetwas zu fühlen….
Zuhause angekommen, sagte ich meinem Vater, dass es mir schlecht sei und ich ins Bett wollte. Ich duschte noch eine ½ Stunde, aber das Gefühl, ekelhaft dreckig geworden zu sein, innerlich wie äußerlich, wich nicht mehr von mir. Als meine Mutter sich später nach der Arbeit an mein Bett setzte, stellte ich mich schlafend, obwohl ich am liebsten weinend in ihre Arme gefallen wäre. Ich hatte beschlossen, niemanden mit meinem Dreck, mit meiner Scham zu belasten. Am nächsten Morgen wachte ich bleiern auf. Meine Lebendigkeit, ich nenne sie seitdem mein Schneewittchen, war fest in einem Glassarg gefangen. Was von mir übriggeblieben war und noch außerhalb des Glassarges existieren konnte, versuchte mit aller Kraft den Schein zu wahren, dass doch alles so war, wie es vor diesem mich vernichtenden Ereignis war. Aber, wie unter einem Zwang stehend, immer, in jedem Augenblick „richtig sein zu müssen“, nicht auffallen zu wollen und jeden eigenen Wunsch zurückzudrängen, kostete unendlich viel Kraft. Meine schulischen Leistungen vielen kontinuierlich ab, die Freundschaften zu meinen Mitschülern wurden oberflächlicher. Dann setzte eine Appetitlosigkeit ein, ich verlor mehr und mehr Gewicht und mein mir letztes Gebliebenes, das Tanzen, wurde mir aus gesundheitlichen Gründen verboten. Ich war nun „schwierig“ geworden und fühlte mich dann in die Psychiatrie abgeschoben. Dort wurde mir beigebracht, meinen Tellerinhalt restlos aufzuessen. Die Fähigkeit, kurze Zeit danach alles wieder zu erbrechen, stellte sich recht schnell ein. Ich verließ nach über einem Jahr als „halbwegs“ geheilt die Psychiatrie und fühlte mich nun, 16 Jahre alt, gebrochen, psychisch krank, essgestört und beziehungsunfähig. Meiner Familie konnte ich nichts von den wahren Gründen meines „Gestört-Seins“ erzählen.

Dann, mit 18 Jahren, begegnete mir beim regelmäßigen Joggen ein netter sympathischer junger Mann. Ich jogge, wie viele Essgestörten, täglich ein bis drei Stunden, um mein Gewicht im Griff zu behalten. Ich verliebte mich gleich in seine schönen Augen und ich spürte eine Wärme zwischen uns, die ich bis dahin nicht kannte - und ich hatte „Glück“. Er sprach mich an und suchte, obwohl ich mich sehr abweisend verhielt, immer wieder den Kontakt zu mir. Dann kam es von seiner Seite zu einer Einladung zu ihm nach Hause, um gemeinsam einen Film zu schauen. Ich spürte, dass er mehr wollte, mehr als ich glaubte, geben zu können. Ich nahm, weil er mir wirklich wichtig war, meinen ganzen Mut zusammen und sagte ihm, dass ich „schlechte Erfahrungen“ gemacht hätte. Er versicherte mir, dass er das verstehe und dass das überhaupt kein Problem sein. Bei einem weiteren Treffen bei mir zu Hause drückte er mich völlig unerwartet „liebevoll“ auf mein Bett und meinte, dass „so etwas“ auch bei seiner Tante passiert sei. Aber man könnte ja auch Spaß haben, ohne miteinander zu schlafen. Plötzlich hatte ich blitzartige, völlig verdrängte Erinnerungen, aus meiner Vergewaltigung im Kopf. Der Satz „Spaß haben, ohne miteinander zu schlafen“ ließ mich innerlich erstarren und panisch werden. Diese Art des Spaßhabens hatte ich mit blutender Nase schon einmal erlebt. „Nur nicht das!!!!“, „Stell dich doch nicht so an“, … ein Gedankenrasen mit Hirnleere stellte sich ein und ich wusste, dass ich zu nichts tauge. Ich wollte ihn aber nicht verlieren!!! Ich ging innerlich weg, nahm die Situation emotionslos und wie von außen wahr und hoffte, wenn ich ihm meinen Körper überließ, könnte ich vielleicht alles retten, und vielleicht würde ich danach endlich normal sein. Mit diesen wirren Gedanken entkleidete ich mich mechanisch selbst, wie ferngesteuert. Als er fertig war, öffnete er bei etwa 10 Grad minus mein Zimmerfester und rauchte dort, schweigend und nur nach außen gewandt, eine Zigarette. Ich schien ihn wohl doch nicht glücklich gemacht zu haben. Ich hörte dann Minuten später, wie halb aus einem erstarrenden, lähmenden Traum erwachend, nur noch wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Innerlich und äußerlich frierend beschloss ich, nie wieder meinen Glassarg zu verlassen, mochte Schneewittchen gegen seine Wände schlagen, weinen, ja sogar ersticken. Ich wusste nun, für diese Welt war ich nicht gemacht, zu nichts zu gebrauchen, überflüssig und ich war nun restlos überzeugt, dass ich von Grund auf gestört bin.

Trotz dieses schwierigen Startes in das Erwachsenenleben gelang es mir, mit größeren und kleineren seelischen Einbrüchen, eine Krankenpflegeausbildung abzuschließen. Immer wieder geriet und gerate ich seitdem in meiner Arbeit in nahezu unlösbare Situationen. Betriebsausflüge und Weihnachtsessen mit geselligen Beisammensein waren und sind aufgrund meiner Essstörung einfach immer nur Horror. Aber ich habe gelernt, immer lächeln zu können.

Ich habe gelernt, mich zusammenzureißen, koste es, was es wolle. Wie ich mich danach fühle, welche Abgründe sich in meiner Seele aufreißen und mich zu verschlingen drohen und wie ich das dann zu kompensieren suche, möchte ich jetzt hier nicht weiter ausführen.
Auch war es für mich besonders schlimm, wenn ich körperlich angeschlagen oder krank war und am Arbeitsplatz nicht hundertprozentig funktionieren konnte. Ich versuchte prinzipiell alles perfekt zu machen, damit ich mich auf der „sicheren“ Seite fühlen konnte. Deshalb tat ich immer mehr, als erwartet wurde. Ich machte ungefragt Überstunden und „vergaß“ dann sogar, diese Überstunden exakt aufzuschreiben. Ich riss Arbeiten, die keiner gerne macht, an mich und betonte, dass es mir nichts ausmacht. Ich versuchte, mein Unwissen zu überspielen und mimte die Hoch-Engagierte, selbst wenn ich Koliken hatte (Ich rede hier von Koliken und weiß auch, was aus medizinischer Sicht Koliken sind!). Dass ich in solchen Stresssituationen dann unkonzentriert war, manchmal wie abwesend in die Luft starrte, Zahlendreher hatte, wichtige Aufgaben einfach vergaß und nicht mehr adäquat mich an Gesprächen beteiligte, entging mir restlos. Da ich aber meine Schwäche, mein Erkrankt-sein oder meine Schmerzen den Anderen nicht mitteilte, war mein Team über mein oben beschriebenes Verhalten seltsam irritiert. Diese Irritationen, die ich wiederum wahrnahm, stressten mich nun umso mehr. Was im Nachhinein bei mir nach solchen Ereignissen hängen blieb, war immer nur, dass ich unfähig bin, zu nichts tauge und nur eine Belastung für das Team bin. Beleuchtete ich anschließend in der Therapie diese Situationen, konnte ich alles, was da falsch lief, durchschauen. Das nützte mir aber in der nächsten Stresssituation nichts! Denn sofort stellte sich wieder das Gefühl ein, dass ich mich zusammenreisen soll, mich nicht so anstellen soll, nichts tauge und dass ich doch nicht wehleidig und jammrig sein möchte und nicht sein darf. Zudem konnte (und kann ich bis heute oft) in diesen Stresssituationen nicht mehr klar denken und ich ignorierte sogar die wiederholt warnenden Hinweise meines Therapeuten. Dieses Verhalten führte bisher zu 5 Arbeitsplatzwechseln. Zum Glück wird Krankenpflegpersonal überall gesucht.

In den nächsten Jahren funktionierte ich ansonsten unauffällig. Leider stellten sich immer wieder Selbsthass und auch einige suizidale Stimmungen ein, die ich durch Essen zu betäuben versuchte. Wenn das nicht ausreichte, musste ich mir wehtun, um mich zu bestrafen. Die Palette reichte dann von selbsterzwungenem Erbrechen, auf dem kalten Boden schlafen, weil ich es nicht verdiene in einem Bett zu liegen oder ich schlage den Kopf immer wieder gegen die Wand, natürlich so, dass die Hämatome durch Haare gut verdeckt werden. Ab und zu tat ich mir auch durch Ritzen mit dem Cutter weh, das jedoch immer nur an Stellen, die sich gut verdecken ließen. Wenn das nicht ausreichte, machte ich über Jahre hinweg (wenigstens) noch fremde Männer glücklich, denn zu nichts anderem taugte ich ja. Hinterher ekelte ich mich vor mir selbst, aber für eine kurze Zeit war wenigstens der innerliche Druck leichter auszuhalten.

Dann, mit 35, lernte ich Chris kennen, eine 4 Jahre jüngere Frau, der Ähnliches widerfahren war. Indem wir uns in unserem Verletzt-Sein wiederfinden konnten, entstand so etwas wie Vertrauen, und nach etwa einem Jahr waren wir ein Paar. Wir fühlten uns gegenseitig verstanden und stark. Nach und nach traten aber „Rechthabereien“ und „Macht-Spiele“ zwischen uns auf, so dass unsere Beziehung daran zerbrach. Ich wollte nun endlich die Konsequenzen aus meinem ewigen Scheitern ziehen und aus dem Leben gehen. Eine Arbeitskollegin schien meine Not zu erahnen und nötigte mich regelrecht, bei einem Bekannten wenigstens eine einmalige kunsttherapeutische Sitzung auszuprobieren. Dadurch gelang im allerletzten Moment gerade noch eine Weichenstellung in meinem Leben, für die ich meiner Kollegin unendlich dankbar bin.
Diese Kunsttherapie war viel breiter „aufgestellt“ als ich mir das vorstellen konnte. Zunächst gab es viele Gespräche. Dann musste ich lernen „Witze“ zu erzählen, aber diese sollten geradezu schauspielerisch dargeboten werden. Ich musste meine Sprache mimisch und mit Gesten unterstützen.

Immer wieder tauchte die Frage auf, was ich gerade dabei erlebte, ob es körperliche Reaktionen darauf gab, ob sich Bilder, Erinnerungen reinmischten, wie sich diese anfühlten und wie es sich am Klarsten formulieren lässt, was ich in diesen Momenten erlebte. Ich wurde aufgefordert Mimik und Gestik anderer Menschen zu erforschen, diese nachzuahmen und die dadurch in mir innerlich entstehenden Reaktionen möglichst bewusst mitzuerleben und, wenn möglich, meine dabei auftauchenden Gefühle zu formulieren. Ich sollte das Erlebte künstlerisch ausdrücken. Ich schrieb Geschichten, malte Bilder mit der linken Hand, um meinen Kontrollzwang auszuschalten, ich versuchte – recht erfolglos – zwischenmenschliche Stimmungen mit dem Handy einzufangen, ich sollte zu meinen Gefühlen, die mich regelmäßig gefangen nahmen, Melodien erfinden, summen und singen und sie durch Bewegung und Tanz ausdrücken.
Auch wurde ich mit Yogahaltungen vertraut gemacht, die manchmal Verschüttetes an den Tag brachten oder mit denen ich mich beruhigen konnte, mich wieder bündeln und zentrierten konnte.
Durch diese verschiedensten Arbeitsansätze kamen immer mehr Erinnerungen aus meinem 8. Lebensjahr hoch. Allein, um das Wort „Vergewaltigung“ über die Lippen zu bekommen, liefen wir vielleicht insgesamt 5 Stunden in einer Acht durch den Raum (Im Kreis laufen macht einen schwindelig). Hierbei hielt mich mein Therapeut fest am Arm, wie man sonst nur einen alten, gehbehinderten Menschen am Arm hält. Dann begann das Erzählen, was damals geschehen war, auch in Achten laufend. Mein Therapeut erzählte mir dann die zuvor von mir erzählten Sequenzen aus der Vergewaltigung und ich musste auf meine Gefühle, meine Körperhaltung und Atmung achten. Wie oft wollte ich innerlich „weggehen“ - er nahm es immer sofort wahr und gab mir Halt.

Manchmal saugten mich die Erinnerungen wie auf und ich war in der Gefahr, darin zu ertrinken. Aus solchen Situationen holte er mich ebenso sofort wieder heraus. Und immer wieder kam zuerst die Aufforderung, das Erlebte "eins zu eins" auszudrücken, „so wie es war“. Dann aber rang ich darum, es in eine künstlerische Form zu bringen und es in Etwas zu verwandeln, was etwas Allgemeingültiges, etwas „Objektives“ hat. Es sollte alles abgestreift sein, was noch etwas Selbstverliebtes, oder noch etwas von einer ewig-selbstmitleidigen, zermarternden Nabelschau hatte. Dieses Ringen war unendlich schwer und doch gleichzeitig tat es so unendlich gut. Immer wieder der gleiche Prozess: Genau hinschauen und aushalten, ausdrücken und dann verwandeln.
Nachdem ich da einigermaßen „durch war“, gingen wir mein selbstverletzendes Verhalten an. Die Essstörung spielte hierbei zunächst noch keine Rolle. Es ging darum, wie ich meinen Körper, mich selbst wegwarf, um mich zu betäuben. Der therapeutische Weg war wieder der Gleiche wie der bei der Vergewaltigung, nur dass hier die Scham und die Selbstverachtung zunächst wie ein unüberwindbarer Berg vor mir standen. Mit 8 Jahren war ich in der Vergewaltigung Opfer. Jetzt war ich kein Kind mehr und ich verletzte mich selbst und führte die destruktiven Situationen selber herbei. Ich wurde nicht, wie damals mit 8 Jahren, in den Dreck geworfen! Jetzt schmiss ich mich selbst in diesen. Ich begab mich selbst in diese Situationen, Ja, ich führte sie selbst aktiv herbei.

Aber durch das vorsichtiges Fragen meines Therapeuten, seine Vertrauen und Sicherheit vermittelnde Art, schilderte ich mit der Zeit eine Situation nach der anderen. Der künstlerische Ausdrücken fiel mir bei dieser Theamtik noch schwerer.
Phasenweiße wurden die destruktiven, selbstverachtenden und selbstzerstörerischen Gefühle sogar noch schlimmer. In diesen Phasen brauchte ich häufigeren therapeutischen Halt. Aber mit der Zeit merkte ich, wie durch diese Arbeit der sich immer wieder aufbauende destruktive Sog, der innerliche Druck, weinen zu müssen und das Gefühl, falsch zu sein, abnahmen und ich spontaner und lebendiger im Alltag reagieren konnte.
Es traten jetzt selten ganz andere Formen von Erinnerungen, Bildern und Sequenzen auf. Sie schienen nicht in dieses Leben zu gehören. Ob es nun Bilder aus früheren Leben sind oder ob sich jetzige Gefühle nur darin maskieren, damit ich sie leichter ertragen kann, ist mir egal. Für mich sind es, zum Teil auch wieder traurige, traumatische und aussichtslose Situationen aus früheren Leben, die wir wieder genau gleich angehen: Anschauen, aushalten, durchfühlen, ausdrücken, gestalten und annehmen. Was sich hier noch alles meinem Bewusstsein erschließen wird, darauf bin ich schon sehr gespannt.
Nun hat sich meine Arbeit an meiner Traumatisierung etwas verschoben. Bisher fühlte ich mich immer als Getriebene! Getrieben von den Bildern und Gefühlen, die mich öfters überschwemmten, getrieben von den vernichtenden Gefühlen, falsch, schädlich, schuldig und dreckig zu sein. Das Getrieben-Sein hat deutlich nachgelassen. Ich versuche nun den umgekehrten Weg zu gehen. Ich will mich nicht mehr von den Bildern, Gefühlen usw. zurück in die Opferrolle der Vergangenheit ziehen lassen. Nein, ich versuche jetzt die Vergangenheit in die Gegenwart zu zerren, ihr jeden Tropfen an Schmerz, Scham, Trauer, Ohnmacht und Einsamkeit zu entreißen und diesen in irgendeiner Form auszudrücken. Ich will kein Opfer der Vergewaltigung mehr sein; ich werde eine Kriegerin des Schmerzes. Eine Kriegerin, die sich allem stellen kann, es durchlebt, durchfühlt und aushalten kann und es irgendwann als zu sich gehörend annehmen kann. Ich bin überzeugt, auf diese Weise meine Schmerzen in Perlen verwandeln zu können. Daran arbeite ich MIT FREUDE, auch wenn ich immer wieder an meine Belastungsgrenzen stoße und es ganz schön weh tut!!!
Mein Wunsch ist es, meine Erfahrungen mit anderen zu teilen, in der Hoffnung, dass auch sie dann „ja“ zu ihrem inneren Leid und Leben sagen können, es annehmen können und so ihrem Schneewittchen aus dem Glassarg helfen können.
Und denke daran, du bist nicht allein!!!!!!!
Amani